Wer dem dänischen Funken nachspürt, der in nur drei Ballkontakten zu einer Flamme wurde und so gut wie sicher zum nächsten Tor führte, muss nicht nach Flensburg schauen – sondern nach Berlin. Wie viel Dänemark steckt in der Bundesliga, fragt sich nicht nur die Liga-Organisation HBL mit Blick auf die atemraubenden Auftritte der Dänen bei ihrer vierten gewonnenen Weltmeisterschaft in Serie. Auch die staunenden Trainer der Spitzenteams durchpflügten ihre Taktiken, um möglichst noch irgend etwas „Dänisches“ für die nun wieder laufende Rückrunde unterzubringen.
Wer genau hinschaut, sieht in diesen vollgestopften Handballwochen aber, dass das weniger von der Spielweise und den Spielzügen abhängt. Sondern vom Personal. Faszinierend zu sehen war, wie schnell die Dänen „abräumten“: Das meint, den Ball möglichst flott laufen und die Gegner hinterherlaufen zu lassen, bis eine Lücke entsteht – meist auf Außen.
Viel „Dänisches“ im Rückraum
Ziemlich frei konnte dann Linksaußen Emil Jacobsen werfen und treffen. Dieses „Abräumen“ funktioniert in der Liga eigentlich nur in Überzahl, wenn der Gegner also einen Spieler weniger zum Verteidigen hat. Das liegt zum einen an besseren, eingespielteren Defensivreihen, die sich nicht so schnell narren lassen. Zum anderen spielt die aktuelle weltbeste Rückraumreihe in der Formation Gidsel/Lauge/Pytlick eben nur in Dänemark zusammen und bei keinem Verein.
Also – wer viel „Dänisches“ im Rückraum hat, nähert sich der Perfektion an? Beinahe so simpel ist es, denn den derzeit schwungvollsten Angriff zeigen die Berliner Füchse mit Gidsel, Lasse Andersson (der bei der WM selten auftrat, aber alle Systeme kennt) und dem deutschen Nationalspieler Nils Lichtlein. Nah an der Abwehr, mit hoher Geschwindigkeit, technische Fehler beinahe ausgeschlossen – die Füchse greifen wie aus einem Guss an.
Kein Wunder, dass Sportvorstand Stefan Kretzschmar gerade Gidsels Vertrag bis Mitte 2029 ausweitete und nun an Flensburgs Pytlick baggert: Die beiden sind Freunde, waren Stars der WM, wollen nun auch Erfolge im Vereinsteam. Die SG hält gegen, will Pytlicks Arbeitspapiere am liebsten sofort verlängern – dann aber wohl nicht mehr für unter 30.000 Euro brutto im Monat wie bisher.
Der Gedanke, mit dänischen Stars im Kader die Titelchancen zu erhöhen, bringt eine Art Goldgräberstimmung in die Liga, treibt aber auch die Preise in die Höhe. Der THW Kiel hat sich in Weltmeister Emil Madsen schon einen jungen Spieler für den rechten Rückraum „gegönnt“, der viel Spaß macht. In Magdeburg hat der dänische Kapitän Magnus Saugstrup einen „Rentenvertrag“ unterschrieben.
Die Sorgen von Liga und Bundestrainer
Und die Melsunger haben ihr Glück in Aron Mensing gefunden, der verlässlich trifft und nicht mal zum dänischen WM-Kader gehörte. Zumal die dänische Liga selbst mithält, nicht mehr nur Ausbildungsstaffel für die HBL sein wird; dass Aalborg HB Sander Sagosen aus Kolstad weglockte (bis 2029!) und dann ab der Serie 25/26 mit dem deutschen Spielmacher Juri Knorr und Sagosen spielen wird, unterstreicht die Ambitionen der Nordjütländer.
Die Sorge der Liga und vor allem die des Bundestrainers sind folgende: Wenn jetzt noch mehr der begehrten Ware aus dem kleinen Königreich nach Deutschland kommt, werden die Plätze für die junge, deutsche Konkurrenz noch weniger. Schon jetzt haben junge Dänen einen großen Vorteil, wenn sie mit 23, 24 Jahren in die Bundesliga kommen: Sie haben in Dänemark schon drei, vier Jahre bei den Senioren gespielt, während für die deutschen Talente in diesem Alter Einsatzzeiten in der Bundesliga rar sind. Deswegen sind 23-jährige Dänen oft viel weiter als ihre deutschen Pendants – was die Nationalmannschaft zu spüren bekommt.
Es muss allerdings passen. In Flensburg ist vieles zu ungenau auf Pytlick zugeschnitten. Spielmacher Jim Gottfridsson, ein Schwede, spielt ihm zu langsam. Der Däne Lasse Möller schaut mehr auf eigene Torerfolge. Sein Landsmann Mads Mensah bringt ihn auch zu selten in Schwung. Deswegen versucht Pytlick Spiele oft im Alleingang zu gewinnen – was zwangsläufig manchmal schiefgeht. Auch deshalb könnte für ihn ein Wechsel in die Hauptstadt reizvoll sein.