Schon drei Minuten vor dem Schlusspfiff sanken etliche Spieler von Bayer Leverkusen zu Boden, kämpften gegen den Schmerz, rangen um Fassung. Gerade hatten Amine Adli und Florian Wirtz eine großartige Doppelchance vergeben, mit der sie diesem Spiel doch noch das angemessene Ergebnis hätten schenken können. Doch Adli traf aus fünf Metern Manuel Neuer und Wirtz setzte seinen anschließenden Schuss wenige Zentimeter neben den Pfosten. Die Siegchance war vergeben, dennoch sagte Granit Xhaka: „Das war eine Riesenleistung von uns von der ersten bis zur letzten Minute.“
Als die Partie zu Ende war, hatten die Bayern 0:0 gewonnen, denn der Acht-Punkte-Vorsprung bleibt bestehen. Das wird sie darüber hinwegtrösten, dass sie dominiert worden waren wie lange nicht. Statistiker ermittelten, dass der Rekordmeister seit der Erhebung solcher Daten noch nie derart selten auf das gegnerische Tor geschossen hatte. Wobei keiner der beiden Abschlüsse gefährlich war.
Leverkusens Trainer Xabi Alonso sprach von „gemischten Gefühlen“, denn sein Team habe „ein phantastisches Spiel und fast alles richtig gemacht“. Unglücklich war er nur „mit dem Resultat“, doch er bekannte: „Für die Tabelle war es nicht genug.“
„Die haben richtig gepusht“
Es war in der Tat ein imponierender Fußball, den diese Leverkusener Mannschaft spielte: wild, weil extrem intensiv in den Zweikämpfen und im Spiel gegen den Ball. Aber auch wild, weil die Mannschaft noch flexibler und riskanter agierte als sonst, ohne instabil zu werden. Das Trainerduell mit Vincent Kompany ging damit deutlich an Alonso, genau wie das Duell von Florian Wirtz mit Jamal Musiala an den Leverkusener ging.
„Die waren aggressiv, die haben richtig gepusht, das war kein Spiel, wie wir normal gespielt haben“, sagte Musiala. Dabei hatte die Aufstellung noch die Vermutung nahegelegt, dass Xabi Alonso wie im Hinspiel in München und auch in der beim FC Bayern gewonnenen Pokalpartie auf eine Kontertaktik setzen würde.
Der zuletzt sehr formstarke Zentrumsstürmer Patrik Schick saß auf der Bank, der schnelle Nathan Tella bespielte das Angriffszentrum. Aber statt den Bayern den Ball zu überlassen, griff der deutsche Meister entschlossen an und hatte auch immer wieder gute Chancen.
Zunächst scheiterte Wirtz bei dem Versuch, nach einem Dribbling aus spitzem Winkel Manuel Neuer zu überlisten. Den anschließend hoch durch den Fünfmeterraum fliegenden Ball köpfte Jeremie Frimpong an die Latte (21.). Vier Minuten später landete eine Flanke von Piero Hincapie aus dem Halbfeld auf dem Fuß von Tella nahe dem Elfmeterpunkt, doch auch der traf nur die Latte. Und in der 33. Minute setzte Wirtz zu einem 50-Meter-Schuss an, weil Neuer weit vor seinem Tor stand. Allerdings fehlte dem Versuch die erforderliche Präzision.
„Hatten keine Möglichkeit, uns zu befreien“
Die Bayern waren erstaunlich passiv. Unter dem enormen Druck passierten immer wieder kleine Fehler und Ungenauigkeiten. Dass links in der Viererkette Hiroki Ito erstmals in dieser Saison in Teil der Startelf war, mag logisch erscheinen, weil Raphael Guerrero das nötige Tempo für Duelle mit Frimpong fehlt, doch der Japaner hatte immer wieder Schwierigkeiten mit der Geschwindigkeit dieses Fußballspiels. „Man muss neidlos anerkennen, dass Bayer Leverkusen ein großartiges Fußballspiel gemacht hat. Wir hatten keine Möglichkeit, uns zu befreien“, sagte der Münchner Sportvorstand Max Eberl dem Sender Sky.
Immerhin gelang es den Münchnern nach der Pause etwas besser, Wirtz zu kontrollieren, aber Tella hatte zwei weitere gute Möglichkeiten: Bei einem Kopfball nach 65 Minuten rettete Ito in großer Not auf der Linie. Kompany lobte seine Münchner für die „Mentalität, Schüsse zu blocken, Diagonalbälle zu verhindern“. Allzu kritisch mochte er nicht werden mit seinem Team.
Am Ende blieb jedoch die Frage, ob Alonso Patrik Schick zu spät eingewechselt hat, der formstarke Torjäger kam erst in der Nachspielzeit aufs Feld und blieb wirkungslos. Aber Alonso wollte sein harmonisches Kollektiv so lange wie möglich auf dem Platz lassen. Man werde nie erfahren, ob eine frühere Einwechslung Schicks den erhofften Sieg gebracht hätte, sagte der Trainer.
Der Grund für den großen Rückstand in der Tabelle liege nicht in dieser Partie, sagte der Leverkusener Trainer, das Problem seien die „Scheiß-Unentschieden“ in früheren Partien. An die Titelverteidigung in der Bundesliga glaubt nun wohl kein Leverkusener mehr, aber es gibt noch zwei andere Wettbewerbe.
Und sollte es tatsächlich zu einem Achtelfinalduell zwischen den Bayern und Leverkusen in der Champions League kommen, sind nach nunmehr sechs Duellen zwischen diesen Klubs ohne Münchner Sieg eher die Rheinländer Favorit.
