„Free Palestine“, sagte Hadi Matar zweimal in Richtung der Kameras, als er in den Gerichtssaal geführt wurde. Es war der erste Tag des Prozesses gegen den mutmaßlichen Angreifer des Schriftstellers Salman Rushdie. Im Verhandlungssaal in Mayville im Norden des Staates New York waren keine Kameras zugelassen. Auf Fotos saß der Beschuldigte, der auf „nicht schuldig“ plädierte, in einem hellblauen Hemd neben seiner Anwältin, die heute ihr Eröffnungsplädoyer halten sollte.
Zunächst rief aber Staatsanwalt Jason Schmidt noch einmal die Brutalität des Attentats vor zweieinhalb Jahren in Erinnerung. Der damals 75 Jahre alte Salman Rushdie wollte am 12. August 2022 in Chautauqua einen Vortrag halten, als ein schwarz gekleideter Mann mit einem Messer auf ihn zu rannte. Dieser Mann sei Matar gewesen, der „immer und immer und immer wieder“ auf Rushdie eingestochen habe, sagte Schmidt laut Medienberichten.
Für den Angegriffenen sei die Tat völlig unerwartet gewesen. Rushdies Verletzungen der Leber und anderer Organe sowie der Blutverlust hätten ihn töten können. Matar sei so „einem Mord gefährlich nahe“ gekommen. Die Anklage lautet daher auch auf versuchten Mord, der Matar bis zu 25 Jahre ins Gefängnis bringen könnte. Rushdie kämpfte nach der Attacke im Krankenhaus um sein Leben, verlor rechts sein Augenlicht.
Unklare Verteidigungsstrategie
Die Verteidigerin Lynn Schaffer sprach im Anschluss an das Plädoyer der Anklage nicht über ein Motiv für Matars mutmaßliche Tat. Sie war für den erkrankten Anwalt Nathaniel Barone eingesprungen, wirkte auf Susie Coen, die im Gerichtssaal sitzende Reporterin des britischen „Telegraph“, unvorbereitet und fahrig. Schaffer sagte, das hier sei „kein Agatha-Christie-Roman“, in dem es herauszufinden gelte, wer ein Verbrechen begangen habe. Hinter Matars Tat stecke weit mehr, als die Anklage glaube – „nichts im Leben ist so einfach“, so die Juristin. Auch beim Super Bowl am vergangenen Sonntag habe man schließlich nicht in die Köpfe der Spieler oder von Zuschauerin Taylor Swift „hereingucken“ können, zitierte Coen Schaffer. Als entlastend wollte sie anführen, dass Matar ein Ticket gekauft habe und mit der Absicht zu dem Vortrag Rushdies gekommen sei, sich diesen anzuhören. Was die genaue Verteidigungsstrategie für Matar sein soll, blieb nach diesem Plädoyer unklar. Möglicherweise soll argumentiert werden, dass keine Tötungsabsicht vorlag.

Der tatverdächtige Hadi Matar ist ein heute 27-jähriger Amerikaner aus New Jersey. Er wurde in Kalifornien geboren und ist Sohn libanesischer Einwanderer. In einem Interview aus dem Knast hatte Matar nach der Tat gesagt, der iranische Ajatollah Khomeini sei ein „großartiger Mensch“ gewesen, vor dem er großen Respekt habe.
Der Mordaufruf des Ajatollah
Nach dem Erscheinen von Rushdies Roman „Die Satanischen Verse“ 1988 hatte der verstorbene Khomeini den Autor einen Verächter der islamischen Religion genannt. Im Jahr 1989 hatte Khomeini dann eine „Fatwa“ gegen Rushdie ausgesprochen. Dieses Dekret rief Muslime faktisch dazu auf, den Schriftsteller zu ermorden.
Mehr als zehn Jahre lang durfte Rushdie auch Indien nicht betreten – im Land seiner Geburt war sein Roman verboten. Er musste mit unzähligen Morddrohungen leben, die britische Regierung stellte ihn unter Polizeischutz. Iran erklärte 1998, die „Fatwa“ nicht mehr umsetzen zu wollen – offiziell aufgehoben wurde sie nie. Rushdie, der in Cambridge studierte und sowohl die britische als auch die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, erhielt für sein Werk zahlreiche Auszeichnungen wie den britischen Booker Prize und die Mitgliedschaft in der Royal Society of Literature. Seit dem Jahr 2000 lebt er in den Vereinigten Staaten, hauptsächlich in New York.
Matars Prozess soll nun sieben bis zehn Tage dauern. Rushdie wird Berichten zufolge selbst aussagen. Laut Matars Anwalt Barone sei auch eine Aussage des Angeklagten nicht ausgeschlossen. Matar erwartet nach diesem Prozess noch ein weiteres Verfahren vor einem Bundesgericht wegen Terrorismusverdachts.